Oktober 11, 2009

In defense of Progressive Rock (2): Jethro Tull



Anonym hat unten im Kommentar geschrieben:
"Wenn auch der Anti-Intellektualismus der "zu viele Noten"-Schreier zurückzuweisen ist, so war doch Punk zumindest eine verständliche Reaktion auf die ungebrochene Positivität von Prog-Rock-Bands wie Jethro Tull, die einem als erleuchtete, weise Männer sonstwas vom Pferd erzählt haben, wie magisch und toll doch die Welt ist.
Interessant in diesem Zusammenhang finde ich Frank Zappa und Captain Beefheart, die zuweilen auch in die Prog-Ecke gesteckt werden, sich aber massiv von Bands wie Yes oder Genesis abgegrenzt haben und immer eine passende Polemik gegen die Hippies auf den Lippen hatten..."

Dass Zappa und Beefheart (die ich eigentlich nicht, oder nur am Rande dem Prog zurechnen würde), sich irgendwann "massiv" von Yes und Genesis abgegrenzt haben, ist mir eigentlich neu; ich dachte eher, die hätten solche Bands schlicht und einfach ignoriert. Eigentlich zeigt der Kommentar aber auf, wie viele Vorurteile es schlicht und einfach zum Progressivrock gibt. Ausgerechnet Jethro Tull als Auswuchs "ungebrochener Positivität" - dabei besteht Tulls erfolgreichstes Album, das oben im Video erwähnte Aqualung, zur Hälfte aus einer Songsuite über einen Kinderschänder mit Atemproblemen; die andere Hälfte besteht aus einem Generalangriff gegen jegliche Religion.

Überhaupt sind Tull, mit ihren ironischen bis sarkastischen, häufig ziemlich düsteren Texten, und ihrem skurillen (manchmal auch recht platten) Humor gar nicht so weit von Beefheart oder Zappa entfernt (man siehe etwa "The hare who lost his spectacles" von A passion play). Tulls progressives Meisterwerk Thick as a brick wird vom Bandleader Ian Anderson auch regelmässig als Parodie der Konzeptalben von Bands wie Yes oder ELP abgetan. Das Album besteht aus einem einzigen Titel, der 45 Minuten dauert, und ist angeblich die Vertonung eines Gedichts des 8jährigen Wunderkinds Gerald Bostock, genannt "Little Milton".

Hier jedoch ein späteres (und rockigeres) Werk von Tull: Heavy Horses (1978)



P.S. A propos Hippies dissen: "The reason I didn’t want to play Woodstock is because I asked our manager, Terry Ellis, 'Well, who else is going to be there?' And he listed a large number of groups who were reputedly going to play, and that it was going to be a hippie festival, and I said, 'Will there be lots of naked ladies? And will there be taking drugs and drinking lots of beer, and fooling around in the mud?' Because rain was forecast. And he said, 'Oh, yeah.' So I said, 'Right. I don’t want to go.' Because I don’t like hippies, and I’m usually rather put off by naked ladies unless the time is right. Well, indeed, unless the money’s right." (Kontext)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich dachte bei dem Kommentar gerade an eine Text-Zeile aus "Thick as a brick": "Let me tell you the tales of your life...". Wenn mir jemand so viel erzählen will, dann verstehe ich die Reaktion der Punks, alles innerhalb von drei Minuten verneinen zu wollen.

Dabei geht es mir überhaupt nicht darum diese Bands musikalisch abzuwerten - gerade King Crimson ist eine Band, die ich wirklich gern höre. Wenn ich mir dann aber "In the wake of Poseidon" anhöre, ein musikalisch wirklich großartiges Album, dann bleibt doch wirklich nichts anderes zu sagen, als: Eso-Kacke! Wenn dann Grek Lake, im letzten (musikalisch großartigen) Lied, also nachdem Poseidon alles ins apokalyptische Chaos gestürzt hat um die Welt von allem Bösen zu säubern und alles neu erstehen zu lassen, davon singt, was Frieden alles ist, dann finde ich es angemessen, dass dann die Punks kamen, die wussten dass es diesen Frieden nicht gibt und dass es auch nichts gibt mit dem Frieden zu machen wäre.

Hier ein Lied von Zappa gegen Hippies:
http://www.youtube.com/watch?v=iOPSRqdBtVs