Dezember 24, 2009

Mühsam, passend zur Jahreszeit (2)

Ein Weihnachtslied aus früheren Krisenzeiten:

Das Fest der Liebe

Die Schrauben knarren; der Propeller rattert;
die Wellblechschwingen rasseln mit Gequiek:
So kommt vom Himmelsdom der Republik
der liebe Weihnachtsengel hergeflattert,
erhöhend, wo's die Menschen reichlich haben,
die Festesfreude mit den schönsten Gaben,
doch wo die andern hausen in der Tiefe,
erhöht der Engel Preise und Tarife.

Indessen die fiskalischen Gebiete
bereist Knecht Ruprecht. Wo er hintritt, kracht's
Er trägt das edle Antlitz Hjalmar Schachts
und nur wer brav ist, kriegt zum Lohn Kredite.
Meint ihr, er braucht nur in den Sack zu fassen,
und schon fließt Geld in eure Pleitekassen?
Erst feste Steuern für den Weihnachtsengel!
Wer pumpen will, bemühe auch den Schwengel!

Dem Reich sowohl als auch der Metropole
hat sich das Christkind freundlich zugeneigt.
Kredit gibt's, wenn der Preis für Butter steigt,
für Fleisch und Tabak, Mehl und Stiefelsohle.
Das Wasser wird, das Licht, das Gas verteuert,
bald auch, bloß weil du lebst, dein Kopf besteuert.
Gewaltig neppen die Verkehrsbetriebe,
Berliner, dich! – O süßes Fest der Liebe!

Doch bleibt gerecht! Der Staat braucht viel Millionen!
Siehst, Arbeitsloser, hungern du dein Kind,
so denk, wie teuer Panzerkreuzer sind,
getürmte Fürsten, Generalspensionen!
Die "Wirtschaft" muss die Hakenkreuze schmieren,
du musst, Prolet, den Sklareksumpf sanieren.– –
Der Weihnachtsengel schirme deinen Glauben!
Vom Himmel hoch da knarren Steuerschrauben.
(1929)

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