Mai 27, 2010

Das Luxemburger "Feuilleton" und die Krise

Im Debattenteil des heutigen Jeudi macht David Broman eine gar schröckliche Entdeckung. wenn Banken Kredite vergeben, schaffen sie Geld aus dem Nichts. Unglaublich, aber wahr! Dass auch Staaten auch noch selber solche auf fiktivem Geld in Anspruch nehmen, vergleicht Broman mit der Polizei, die bei Falschmünzern Falschgeld leihen würde, um damit die Geldfälscherei zu bekämpfen.

Dies sei um so schlimmer meint der Demokrat Broman, als dass das Geld die Grundlage der Demokratie darstelle, und die armen Regierungen ohne Geld völlig machtlos seien:
"L'argent est le moyen par excellence dont disposent les gouvernements pour mettre en oeuvre les politiques (...) choisies [par la majorité]. Dans ce sens l'argent est un élément nécessaire, fondamental même, pour le bon fonctionnement de nos démocraties. Sans argent, nos gouvernements sont sans moyens, et sans moyens, nos démocraties sont nulles et non avenues."

Broman schlägt also vor, das Geld einer "demokratischen" Transsubstantion zu unterziehen, indem die gegenwärtigen Aufgaben der Banken an die Volksverrätervertreter, die bekanntlich im Unterschied zum "homo oeconomicus" der Vulgärökonomie tatsächlich immer rational handeln, allwissend und unbestechlich sind (wie es in einer Demokratie so üblich ist), übertragen werden. Die "Fiktion" des bankengeschaffenen Geldes würde dementsprechend durch die souveräne Ausübung staatlicher Gewalt aufgehoben (überhaupt scheint Broman gedruckte Banknoten als "realeres" Geld anzusehen als bloss als Zahl existierende Geldwerte). Der Staat würde selbst keine Anleihen mehr aufnehmen, sondern als primärer Geldleiher, als monopolistischer Universalgläubiger fungieren. Dementsprechend würde der Staat keine Zinsen mehr zahlen, sondern "sogar" selbst Zinsen einnehmen. Die Zinsknechtschaft des Finanzkapitals wäre beseitigt (Broman glaubt wahrscheinlich damit das Rad neu erfunden zu haben, dabei kann man ähnliches in den Zwanzigern und Dreißigern bei Gottfried Feder und Konsorten nachlesen).

Als wichtigstes Hindernis sieht der ahistorisch-utopistisch argumentierende Feuilletonist ideologisch bzw. religiös motivierte Vorbehalte gegenüber der Allmacht des Staates, wie z.B.der Glauben, dass das Anwerfen der Notenpresse zwangsläufig zu einer Geldentwertung führen würde usw. usf.

Lassen wir die bromanschen Phantasien hinter uns, und kehren wir auf den Boden der Tatsachen zurück. Hier muss ich Alfred Steinherr, "Ehren-Chefvolkswirt der Europäischen Investitionsbank", loben, der in der gestrigen Ausgabe des Luxemburger Wort versucht die Leserschaft des Bistumsblatts, die durch die Tatsache verwirrt sein mag, dass ihr Premierminister den "Spekulanten", die noch gestern als "Investoren" umworben wurden, nun mit "Folterinstrumenten" zu Leibe rücken will, dazu zu bringen, die Welt mit nüchternen Augen anzusehen. Drei Auszüge:
1) "Was ist eigentlich ein Spekulant? Genau genommen ist jeder Akteur, der das Risiko auf sich nimmt einen aleatorischen Ertrag zu erzielen ein Spekulant. Jeder Unternehmer ist in diesem Sinne ein Spekulant. Und jede Investition in ein Unternehmen ist spekulativ, motiviert durch die Erwartung, dass der Wert der Aktien in Zukunft steigen wird. Ein Finanzmarkt ohne Spekulanten ist daher unmöglich."
2) "Haben wir über unsere Verhältnisse gelebt? Länder wie Deutschland und Luxemburg haben seit 50 Jahren Leistungsbilanzüberschüsse. Mit anderen Worten, sie investieren und konsumieren weniger als sie produzieren und dieser Überschuss, genannt Leistungsbilanzüberschuss wird jährlich im Ausland investiert. Unsere Bürger haben also mehr gespart als im Inland investiert werden konnte. Was für einen Sinn hat dann die Aussage: 'wir haben über unsere Verhältnisse gelebt'? Keinen."
3) "Schulden sind nicht an und für sich schlecht. Unsere Generation hat im Vergleich zu unseren Eltern und Großeltern nicht nur mehr Staatsschulden pro Kopf sondern auch eine deutlich bessere Verkehrs- und Kulturinfrastruktur, bessere Schulen, eine Universität, ein besseres Gesundheitssystem und soziale Sicherheit. Die entscheidende Frage ist daher was mit den Schulden gemacht wird. Die Aussage Staatsschulden sind schlecht impliziert, dass wir unserem politischen System nicht zutrauen, dass es klug mit dem geborgten Geld umgehen kann. Wollen wir dann immer noch das Primat der Politik über den Markt?"
(ich unterstreiche)

2 Kommentare:

denjclaude hat gesagt…

"Schulden sind nicht an und für sich schlecht.“

Einverstanden, aber nur wenn Sie so investiert wurden, dass über die Zeit ein Mehrwert entsteht. Die Frage ist ob der Staat das Geld dementsprechend investiert hat. Ich wage das zu bezweifeln. Insbesondere die Beispiele mit der deutlich besseren Verkehrsinfrastruktur (überdimensionierter Flughafen, überlastete Autobahnen, leere Überlandbusse) und Schulen (doppelt so teuer wie anderswo bei gleichen oder schlechteren Resultaten in internationalen Vergleichen) lassen mich hier zweifeln. Die Frage ist also ist das in den letzten 20 Jahren investierte Geld gut angelegt worden? Die Regierungen der letzten 20 Jahren haben ohne Visionen gehandelt und es nicht fertig gebracht Luxemburg eine Zukunft zu schaffen. Sie haben die Fassade verschönert und im inneren des Hauses haben die Eltern und Großeltern den Betrieb am laufen gehalten, zuerst mit Stahl und dann mit Banken. Die Kinder selbst haben bislang von den Zinsen gelebt und diese Zinszahlungen gehen jetzt nach und nach zurück und es ist keinerlei Ersatz in Sicht.

Der Staat hat vor einem Monat 2 Milliarden Euro aufgenommen. Das sind, ohne Zinsen, 4000 Euro pro Einwohner. Wozu wird dieses Geld benutzt? Wird es in einen Wirtschaftszweig investiert, der das Potential hat zehntausende Arbeitsplätze zu schaffen oder sichern? Nein, er wird dazu benutzt die Politik der letzten Jahre fort zu setzen.
Hinzu kommt die unsägliche Garantie für Griechenland, welche in absehbarer Zukunft um eine Garantie für Portugal oder Spanien ergänzt werden muss. Ohne größere europäische Finanzreformen, welche mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schlecht für den Finanzplatz Luxemburg und unsere Nischenpolitik wären, werden Griechenland, Spanien und Portugal nicht fähig sein den ökonomischen Graben zu Deutschland oder den Niederlanden zu schließen. Aus genau dem Grund werden diese Länder die Garantie wahrscheinlich in Anspruch nehmen müssen. Da es an Reformen fehlt wird sich das Ungleichgewicht nicht ändern und eine Umschuldung wird nötig sein. Dies wird das Problem allerdings auch nicht lösen, nur weiter verschieben.

Wir haben zwar nicht den Schuldenberg Griechenlands, aber ein ähnliches Problem. Wir geben weit mehr aus als wir einnehmen. Dies mit Schulden zu finanzieren wäre in Ordnung, hätten wir die Sicherheit, dass wir diese Schulden zurück zahlen können. Ob wir diese Schulden zurück zahlen können scheint mir fraglich, insbesondere weil dies einzig und alleine vom Bankensektor abhängt.

nestor hat gesagt…

Danke erst mal für den ausführlichen Kommentar.

Der letzte Satz, den ich aus dem Steinherrschen Artikel zitiere, habe ich eigentlich nicht in die Richtung interpretiert, dass der Autor sich allgemein für höhere Staatsschulden ausspricht (auch wenn er in einer anderen Passage des Artikels vor einem Abwürgen der Konjunktur durch die europaweit durchgezogene Austeritätspolitik warnt, sagt auch Steinherr dass der STAAT mehr ausgibt als er einnimmt, auch wenn "wir", d.h. die Luxemburger Bevölkerung plus Grenzgänger, kumulativ mehr Werte produzieren als wir konsumieren und investieren). Der Punkt ist vielmehr der Widerspruch im öffentlichen Diskurs, der einerseits eben mehr Macht für politische Entscheidungsträger einfordert, aber gleichzeitig, ebenso wie du oben, den gleichen Entscheidungsträgern nicht zutraut, mit den aufgenommenen Schulden sinnvolle Investitionen zu tätigen.

Die Abhängigkeit vom Finanzplatz, eigentlich eine wechselseitige Abhängigkeit, denn die örtlichen Banken sind zugleich ja auch die ersten Gläubiger bei den Staatsschulden, sollte allerdings thematisiert werden. Wenn Betriebssteuern (die Banken zahlen im Unterschied zur exportorientierten Industrie diese ja tatsächlich; der Finanzplatz macht fast 2/3 der diesbezüglichen Einnahmen aus), Einkommenssteuern auf den im Finanzsektor gezahlten Löhnen, Dividenden weg brechen würden, hätte der Staat - und damit leider doch auch "wir" - natürlich ein Problem. Allerdings habe ich noch von keinem überzeugenden Entzugsprogramm vernommen, so dass die Gefahr eines solchen kalten Entzugs der Abhängigkeit vom Finanzplatz natürlich groß ist.