März 25, 2011

138 Jahre Rudolf Rocker

Trotz laufenden Verfahrens möchte ich auch dieses Jahr Rudolf Rockers Geburtstag mit einem Textbeispiel illustrieren, einem Auszug aus dem Artikel Gegen den Strom, erschienen 1930 in Mühsams Fanal (und ganz einsehbar hier):

"Was wir erstreben, ist die Götterdämmerung des Staates, der Sieg der Gemeinschaft über den Ungeist politischer Bevormundung und wirtschaftlicher Unterdrückung. Wollt ihr den revolutionären Menschen erkennen, so prüft ihn auf seinen Drang zur Freiheit! Hier scheidet sich Neues von Altem, Beschränkung von Unabhängigkeit. Wer die Krücken autoritärer Bevormundung nicht entbehren kann, der gehört nicht zu den Neuen, der ist noch fest verwachsen mit den alten Mächten der Vergangenheit, von denen ihn keine noch so revolutionäre Phraseologie trennen kann. Solange die Revolutionäre von gestern die Reaktionäre von heute werden, ist das Ziel der Revolution nicht erfüllt, ist sie kein Prolog zu einem neuen Werden, sondern nur ein neues Kapitel in der schmerzenreichen und blutigen Geschichte menschlicher Sklaverei.

Sein eigenes Leben leben, jedes Ding nach eigenem Ermessen beurteilen, nicht länger mit den Gedanken unsrer Großväter denken – dies ist das erste Zeichen eines freien Menschentums.

Erst wenn uns die Freiheit zum inneren Erlebnis wird, bildet sich das Gefühl der Menschenwürde und der sozialen Gerechtigkeit. Im großen Wir die Wurzeln unsres eigenen Ichs erkennen, schafft wahre Kameradschaft und inneres Verbundensein, die uns keine Regierungsdekrete, keine Diktatur, keine Parteidisziplin geben können.

Nicht in verknöcherten Programmen und doktrinärer Rechtsgläubigkeit gibt sich der Drang zu einem neuen Leben kund, sondern in der lebendigen Betätigung der innersten Überzeugung und der Entfaltung schöpferischen Tuns auf allen gebieten des gesellschaftlichen und individuellen Geschehens. Doktrinarismus ist der Tod der Freiheit, ist blinder Glaube in wurmstichige Heiligtümer, aus denen der Geist längst entwichen ist, ist Verzicht auf eigenes Prüfen und eigenes Denken, ist Umformung glühender Wahrheitsfreude in totes Dogma und geistlosen Buchstabenglauben, der jeder Schöpferkraft entbehrt.

Wie die junge Pflanze sich nur im Lichte entfalten kann, so braucht die Idee praktische Betätigung, um fruchtbar zu sein im Kampfe gegen das Bestehende und für die Eroberung einer besseren Zukunft. Gerade heute, wo die Wogen der Reaktion immer höher schlagen, ist das Zusammenwirken aller freiheitlichen Kräfte eine dringende Notwendigkeit, wenn nicht der letzte Hauch freier Menschlichkeit ersticken soll im Sumpfe unerträglicher Tyrannei und blödester Reaktion. Wir sind umringt von einer Welt von Feinden, denn auch das Gros derjenigen, die sich Revolutionäre nennen, stehen gegen uns. Nie hatte das Wort Bakunins von 'der offiziellen Reaktion und der offiziellen Revolution, die mit einander wetteifern in Nichtigkeit und Dummheit', eine größere Bedeutung als heute. Deshalb unsre Parole als Anarchisten: Gegen den Strom, trotz alledem und alledem!"

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