Januar 17, 2013

"Die Notenbank als planwirtschaftliches Organ"

Gelesen bei Carl Landauer, einem Staatssozialisten/Sozialdemokraten der alten Schule; auch als caveat für dessen heutigen GesinnungsgenossInnen:
"Stellt man der Zentralnotenbank die Aufgabe, die kommende Konjunkturentwicklung vorauszusehen und durch rechtzeitiges Bremsen oder Lockerlassen den Konjunkturwechsel abzuschwächen, dann stellt man keinen Grundsatz auf, aus dem eindeutige Folgerungen möglich wären. Ob die Leitung der Notenbank einen Eingriff in einem gegebenen Zeitpunkt für möglich und erwünscht hält, wird immer davon abhängen, wie sie die stets vieldeutigen Symptome der Wirtschaftslage auffaßt. Auch über die Wirkung der Mittel, die ihr zu Gebote stehen, sind stets viele Meinungen möglich. Je nach ihrer politischen Einstellung werden die Notenbankleiter geneigt sein, einen Eingriff in der gleichen Lage für nötig und segensreich oder für unnötig und unerwünscht zu halten. Die politische Regierung ist für ihre Meinungen und die Konsequenzen, die sie daraus zieht, dem Parlament verantwortlich. Wem aber soll die Leitung der Notenbank verantwortlich sein? Macht man sie vom Parlament oder der Regierung abhängig, dann wird sie selbst Objekt des Parteienkampfes. Die starke Waffe des Diskonts und die Mittel der zentralen Kreditpolitik überhaupt können dann dazu benutzt werden, um bestimmte, der einen oder der anderen politischen Richtung im Augenblick erwünschte Wirkungen zu erzielen. Jede Regierung wird natürlich geneigt sein, ihren Einfluß auf die Notenbank in dem Sinn zu nutzen, daß sie sich für ihre Regierungsperiode gutes Wirtschaftswetter verschafft, auch wenn damit die nächste Periode vorbelastet wird. Macht man die Zentralnotenbank einer anderen Instanz, etwa einen Verwaltungsrat von Wirtschaftssachverständigen, verantwortlich, so bevorzugt man notwendigerweise bestimmte Interessengruppen, da es unparteiische Sachverständige nicht gibt. Außerdem aber schafft man damit den unerträglichen Zustand, daß die Regierung sich auf die Zentralnotenbank, diese sich auf die Regierung hinausreden kann, und daß für die Wirtschaftspolitik überhaupt niemand mehr verantwortlich ist. Das gleiche tritt ein, und zwar in verschärftem Maß, wenn man die einmal gewählte Notenbankleitung für die Dauer ihrer Amtsperiode überhaupt von Verantwortlichkeit befreit. Dabei kann solange nur eine leichte Abschwächung der Konjunkturwellen erfolgen, als eine einzelne Zentralnotenbank diese Politik innerhalb der Grenzen ihres Landes durchzuführen sucht. Denn die Erhöhung des Diskonts drosselt nicht nur die inländische Kreditnachfrage, sie bewirkt zugleich ein größeres Kreditangebot vom Ausland und kann leicht dazu führen, daß sich die Notenbank aus dem Kreditverkehr selbst ausschaltet. Daher können stärkere Wirkungen nur durch ein internationales Zusammenwirken der Notenbanken erzielt werden. Für ein solches Zusammenwirken aber fehlen alle Voraussetzungen. Man kann nicht internationale Konjunkturpolitik betreiben, solange die allgemeine Wirtschaftspolitik nur für die einzelne nationale Wirtschaft betrieben wird. Vielleicht läßt sich einmal die längst angestrebte und nie erzielte 'internationale Solidarität der Notenbanken' soweit herstellen, daß diese ihre Politik nicht gegenseitig durchkreuzen. Auch das wird schwer genug sein, aber es wird noch keineswegs eine Grundlage für internationale Konjunkturpolitik bedeuten. Die Eingriffe der Notenbank in den Ablauf der Konjunktur können daher bestenfalls nur eine Vermeidung der allertiefsten Täler und der allerhöchsten Spitzen bedeuten."
Carl Landauer, Planwirtschaft und Verkehrswirtschaft, München und Leipzig, 1931, S.106-107.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

A propos CAVEAT, folgendes würde auch helfen: dass Carl Landauer auf keinen Fall mit Gustav Landauer zu verwechseln ist... dem vielleicht bekannteren Landauer...